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Immer die erste Geige

Die Zeit

Stefan Koelsch untersucht den Sinn für Musik. Der Forscher weiß: Jeder Mensch hat ihn. Er steckt in unserem Kopf.

Stefan Koelsch ist zufrieden. »Das ist gut gelaufen für mich«, sagt er beim Frühstück in einem Hotel in Montreal. Hinter ihm liegen drei Tage Konferenz, er hat ein gewaltiges Schlafdefizit angehäuft. Aber auch an diesem Morgen wirkt er wie aus dem Ei gepellt, das Haar akkurat gescheitelt. Nur die Antworten kommen nicht ganz so aus der Pistole geschossen wie sonst.

Auf der »Neuromusic«-Konferenz ging es um Hirnforschung und Musik, zu dem Symposium lädt alle drei Jahre die italienische Mariani-Stiftung ein. Die Frage, welche Rolle Musik in unserem Gehirn spielt, ist ein heißes Forschungsthema, es verspricht nicht nur grundsätzliche Erkenntnisse über unsere Kognition, sondern auch konkrete Therapien, etwa für Schlaganfallpatienten. Die Szene ist klein, man kennt sich, etwa 300 Zuhörer haben den Weg in die kanadische Stadt gefunden. Natürlich hat auch Stefan Koelsch einen Vortrag gehalten, aber was ihm wichtiger ist: Fast jeder hat irgendeine Arbeit von »Koelsch et al.« zitiert, er ist ein begehrter Koautor für aktuelle Veröffentlichungen. Vor der Tagung hatte er gewarnt, es werde schwer sein, »im Trubel der Konferenz eine ruhige Stunde zu finden«. Der 39-Jährige ist ein wandelndes Netzwerk, zumindest nach der Papierform ist Koelsch einsame Spitze auf seinem Gebiet – und das, obwohl er erst vor ein paar Jahren sozusagen quer in diese Forschung eingestiegen ist

Zu schräg für unser Gehirn

Die Zeit

Neue Musik ist anstrengend. Neuro- und Musikwissenschaftler erforschen, warum die Klänge von Schönberg, Stockhausen und Cage nur eine Minderheit begeistern.

Wird er annehmen oder nicht? Diese Frage treibt die Mathematiker in aller Welt in diesen Tagen um, und sie gilt dem Russen Grigorij Perelman. Ihm hat die amerikanische Clay Foundation in der vorvergangenen Woche eine Million Dollar für die Lösung eines der sieben schwierigsten Matheprobleme zugesprochen – und der Geehrte bat sich eine (nicht befristete) Bedenkzeit aus.

Ein großes Medienecho folgte, wie vor vier Jahren, als Perelman die Fields-Medaille, den „Nobelpreis der Mathematik“, ablehnte. Ihn eigen zu nennen, wäre kaum übertrieben: Ein akademischer Eremit mit wallendem Haar, persönlichen Macken und offenbar frei von Geltungsdrang – was für eine schöne Geschichte! Jetzt wird sie weiter gesponnen. Entzieht er sich dem Lockruf des Geldes?

Blackout

Die Zeit

Worüber Merkel und Steinmeier nicht gesprochen haben

Eine kleine quantitative Analyse des Kandidatenduells vom vergangenen Sonntag: Während der 90-minütigen Debatte zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer fiel 42-mal das Wort »Krise«, sechsmal das Wort »Chance«. Von »Opel« war 14-mal die Rede, von »Wachstum« 28-mal, dreimal fiel das Wort »Dienstwagen«. Die Begriffe »Umwelt«, »Forschung« und »Bildung« dagegen rangen sich die Kandidaten jeweils nur zweimal ab, und beim Thema »Klima« herrschte absolute Fehlanzeige.

Wahlkämpfe sind nicht die Zeiten hoch differenzierter Debatten zu Detailfragen der Politik, geschenkt. Aber ein paar Worte zu den größten Zukunftsfragen hätte der Zuschauer vielleicht doch hören mögen

Allianz der Verlierer

Die Zeit

Microsoft und Nokia kooperieren bei Smartphones – just jene beiden Firmen, die das mobile Internet verschlafen haben.

Vergangene Woche haben Microsoft und Nokia bekannt gegeben: In Zukunft wird man auf den Top-Handys des finnischen Mobiltelefonherstellers die wichtigsten Schreib- und Büroprogramme des Softwarekonzerns benutzen können.

Man kann nicht gerade sagen, dass die Welt auf diese Meldung gewartet hätte. Sie ist dennoch interessant, weil hier zwei Weltmarktführer – aus Schwäche – zusammengehen wollen. Bei sogenannten Smartphones, man könnte sie auch als handygroße Computer mit Internetzugang beschreiben, sind Nokia und Microsoft in den vergangenen Jahren zu Nachzüglern geworden. Nokia mag noch immer die meisten Mobiltelefone verkaufen – aber vor allem im Billigsegment, und dort ist der Markt ziemlich gesättigt. Smartphones breiten sich hingegen rasant aus, im vergangenen Jahr stieg der Absatz um 27 Prozent. Und ausgerechnet dort schrumpft der Marktanteil des Branchenführers, wenn auch nicht ins Bodenlose, so doch unaufhörlich

Doppelt hält besser

Die Zeit

Redundanz kann Daten retten, auch die des Hobbyfotografen. Preiswerte Raidlaufwerke helfen, seine digitalen Fotos sicher für die Zukunft zu erhalte.

Wie viele Fotos haben Sie dieses Jahr im Urlaub geschossen? Früher waren es ein oder zwei Filme mit je 36 Bildern, die man dann zum Entwickeln gab. Heute bringen wir gerne 500 digitale Schnappschüsse mit nach Hause. Das einzelne Foto kostet ja praktisch nichts, und entsprechend oft drückt man auf den Auslöser, zu Hause wird die visuelle Beute dann in die Computerfestplatte entleert.

Die meisten Hobbyfotografen sortieren lediglich die verunglückten Fotos aus, der Rest bleibt unsortiert liegen, um die Beschriftung und Archivierung kann man sich ja später kümmern. Was dann meist nie geschieht.

Digitale Bilder vergilben nicht, und sie gehen auch nicht verloren – glauben wir. Aber das ist sehr kurz gedacht. Denn die Festplatten, denen wir neben den Fotos auch unsere Film- und Musiksammlung anvertrauen, sind nicht für die Ewigkeit gedacht. Die Frage ist nicht, ob eine Platte irgendwann einen fatalen Crash hat, sondern wann der Lesekopf aus ein paar Nanometern Höhe aufs Metall knallt und zur spanabhebenden Datenverarbeitung übergeht. Wer seine Daten nur einfach gesichert hat, der kann gewiss sein, dass er sie irgendwann in den nächsten Jahren verliert. Wenn dann keine altmodischen Papierabzüge der wichtigsten Bilder da sind, reißt der digitale GAU ein Loch in die Biografie.

Das Rezept gegen den Datenverlust heißt Redundanz – alle Daten sollten mehrmals vorhanden sein

Die Freiheit kommt Bit für Bit

Die Zeit

Handyfotos und Blogs sind die neuen Werkzeuge der Demokratiebewegungen. Doch der Zensor twittert mit.

Der Goliath Totalitarismus wird vom David Mikrochip besiegt werden«, prophezeite der US-Präsident Ronald Reagan im Jahr 1989. Sein Widersacher und Partner bei der Beendigung des Kalten Kriegs, Michail Gorbatschow, hatte sich ein Jahr zuvor ähnlich geäußert: »Die internationale Kommunikation ist heute leichter als je zuvor. Heute kann praktisch keine Gesellschaft völlig geschlossen sein.«

Diese Sätze stammen aus einer Zeit, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und kofferschwere Mobiltelefone Spielzeuge für ein paar Reiche waren. Zwanzig Jahre später scheint sich die Vision der beiden Staatsmänner zu bestätigen: Weltweit haben die Bürger per elektronischer Datenleitung Zugang zu politischen Informationen aus dem In- und Ausland. Das Netz, so scheint es, ist zum Instrument der Freiheit geworden. Amateurfotos erreichen uns vom brutalen Einsatz der chinesischen Sicherheitskräfte gegen die Uiguren ebenso wie von den Schüssen der birmanischen Militärjunta auf friedliche Mönche. Per Internet schaut die Welt zu, wenn die Machthaber in Kenia oder Simbabwe Zivilisten verfolgen lassen. Und als in Iran gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahl protestiert wurde, machte das Wort von der »Twitter-Revolution« die Runde. Vernetzt die Menschen miteinander, so die einfache Formel, und sie begehren gegen ihre Unterdrücker auf.

Doch die neuen Informationstechniken verändern die politische Szenerie in autoritär regierten Ländern auf eine sehr viel komplexere Weise