Wie wir Deutschen ticken

Basierend auf exklusiv erhobenen Daten, beantwortet das Buch in über 555 Infografiken Fragen, die wir bisher nie zu stellen wagten und die in offiziellen Statistiken fehlen: Was wünschen und denken wir? Wie wollen wir sein und wie sind wir wirklich? Deutschland intim und indiskret höchst informativ und unbedingt unterhaltsam!

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Das Elixier

NZZ Folio

Die Vorstellung, junges Blut mache jung, ist uralt. Ein Schweizer Forscher glaubt, dass sie stimmt.

«Blut ist ein ganz besondrer Saft», sagt Mephisto bei Goethe. «Blut ist ein ganz kompliziertes Gemisch», sagt Tony Wyss-Coray. Er braucht keinen Pakt mit dem Teufel, er will mit wissenschaftlichen Methoden aus dem Blut ein Elixier destillieren, das uns jünger macht. Der in Kalifornien lebende Schweizer Mikrobiologe hofft, den Alterungsprozess des Gehirns zu stoppen, sogar umzukehren. Und zwar, indem er alten Menschen das Blut junger Menschen spritzt. Bei Mäusen hat das schon auf spektakuläre Weise geklappt. Im Blut muss es folglich einen Stoff geben, der dieses Wunder vollbringt.

Das glaubte Anfang des 17. Jahrhunderts auch die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory. Sie soll junge Frauen auf ihr Schloss gelockt und auf grausame Weise getötet haben, um in ihrem Blut zu baden und dadurch jünger zu werden. Während des Prozesses, den man ihr 1611 machte, wurden ihre angeblichen Komplizen zu Tode gefoltert. Báthory selbst mauerte man in ein Zimmer ihrer Burg ein und versorgte sie durch ein kleines Loch mit dem Nötigsten. Drei Jahre später starb sie.

Legenden wie die der «Blutgräfin» Báthory gibt es in vielen Kulturen. Sie gründen auf der Vorstellung, dass der jugendliche Körper, besonders das jugendliche Blut, eine Essenz enthalte, die man extrahieren und alten Menschen verabreichen könne, auf dass sie wieder in Jugend erblühen. Dass der junge Mensch dabei meistens sterben muss, zeugt ebenso von der zentralen Bedeutung des Blutes für das Leben wie vom Sinn für Dramatik der Chronisten. Auch Vampirlegenden enthalten im Kern diesen Mythos. Und wenn wir sagen, unsere Abteilung in der Firma brauchte mal wieder «frisches Blut», beziehen wir uns ebenfalls auf ihn.

Tony Wyss-Coray saugt keine Jungfrauen aus. Aber auch er macht an der amerikanischen Stanford-Universität, wo er forscht, Experimente, die er nicht an die grosse Glocke hängt: Er näht alte und junge Mäuse so zusammen, dass sie einen gemeinsamen Blutkreislauf bilden. Das erstaunliche Resultat: Die alte, schon etwas vergessliche Maus wird plötzlich wieder schlauer, während die intellektuellen Kräfte der jungen nachlassen

Ring an Großhirn!

Die Zeit

Alles spürt, empfängt, speichert, verarbeitet, sendet.

In der vergangenen Woche trafen sich in San Francisco Entwickler, Produzenten und Investoren zur Solid Conference 2015. Auf dieser Messe für „Hardware, Software und das Internet der Dinge“ philosophierte die Szene über die Trends der Zukunft und stellte neue Produkte vor, die der Vision der allseitigen Vernetzung folgen. Manches davon ist nützlich, anderes eher verschroben. Hier einige Beispiele 

Das Auto aus dem Drucker

Zeit Online

Der Unternehmer Kevin Czinger hat in San Francisco ein neuartiges Leichtbaufahrzeug vorgestellt. Damit will er nicht weniger als die Autoindustrie umwälzen.

Batterien sind eine dreckige Angelegenheit. Nicht für den stolzen Besitzer eines elektrisch betriebenen SUV, der mit einem sogenannten Nullemissionsauto sein Umweltbewusstsein demonstriert. Aber in China, wo die Energiespeicher dafür produziert werden, ist die Luft 40-mal so dreckig, wie sie nach westlichen Standards sein dürfte.

Kevin Czinger wurde das bewusst, als er seinen Sohn ins chinesische Harbin schickte, als Mitarbeiter in eine Fabrik seiner einstigen Firma Coda Automotive. Wie stark ein Auto die Umwelt belastet, hängt nicht nur von der Energie ab, die es beim Fahren verbraucht. Ein Auto muss gebaut werden unter Einsatz von Rohstoffen. Um es fahrbereit zu machen, muss man entweder Öl fördern und raffinieren oder eben Batterien produzieren. Die Umweltbelastung, die schon entstanden ist, bevor das Auto einen einzigen Kilometer gefahren ist, kann man oft nicht mehr gut machen, auch wenn der Wagen noch so sauber fährt.

Deshalb konnte Czinger am Mittwoch auf der Solid-Konferenz in San Francisco einen Sportwagen präsentieren, der mit einem 700 PS starken Verbrennungsmotor in zwei Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt – und trotzdem nach seiner Aussage eine bessere Ökobilanz hat als jedes Elektrofahrzeug

Nur das Glück kann er nicht finden

Zeit Online

Der Deutsche Lutz Finger analysiert für das Netzwerk LinkedIn den größten Datenschatz zum Arbeitsmarkt. Was kann er aus den Lebensläufen ablesen?

Er versetzt sich gerne in andere Menschen. Schaut sich an, wie sie in den sozialen Netzwerken wahrgenommen werden, was über sie getwittert und gepostet wird. Lutz Finger ist Spezialist für die großen Datenberge in Netzwerken. Früher konnten Unternehmen auf den Deutschen und seine Firma Fisheye Analytics zukommen, die spezialisiert ist auf Big Data in sozialen Netzwerken. Sie greift das endlose Palaver auf Twitter und Facebook ab und drückt für ihre Kunden in Zahlen aus, wie die Internet-Massen über sie reden.

Vor zwei Jahren hat Finger die Firma für einige Millionen Dollar verkauft. Er betreibt seine Datenanalysen jetzt für LinkedIn, dem größten sozialen Netzwerk für Geschäftskontakte. Als „Director of Data Science and Data Engineering“ analysiert der 43-Jährige gelernte Quantenphysiker das, was die Mitglieder dem Berufsnetzwerk an persönlichen Daten über ihre Ausbildung und ihren Werdegang anvertrauen. Finger versucht, daraus neue Produkte für die Klientel zu entwickeln

Essen messen mit der Crowd

Zeit Online

Das Start-up Premise sammelt per App von seinen Nutzern in Entwicklungsländern Nahrungsmittelpreise. So entstehen schnell präzise Lagebilder von ganzen Volkswirtschaften.

„Mach Fotos und werde dafür bezahlt!“ Wer so eine Anzeige auf Facebook sieht, der vermutet dahinter wahrscheinlich kein seriöses Unternehmen. Aber 4.000 Menschen in 30 Ländern der Welt bekommen tatsächlich Geld dafür, dass sie mit ihrem Handy in den Lebensmittelladen um die Ecke gehen, Fotos von Waren machen, den Preis notieren und Bilder und Daten ins Netz hochladen. In einigen Entwicklungsländern bestreiten eifrige Sammler sogar ihren Lebensunterhalt damit.

Die Firma, die mit diesen Anzeigen Zuarbeiter anwirbt, heißt Premise und ist ein Start-up im SoMa-Distrikt von San Francisco, dem Hotspot der Branche. Die etwa 30 Mitarbeiter bekommen täglich Tausende von Fotos und Datenpunkten aus aller Welt und erstellen damit ökonomische Charts, die präziser sind als die monatlichen Berichte der Regierungen. Ob Indien, Brasilien, China oder Vietnam – Premise verfolgt die Preise für Brot, Gemüse und Coca-Cola im Tagesrhythmus, genau und ungeschönt. Aber das soll nur der Anfang sein: Mit derselben Technik lassen sich auch soziale Missstände und politische Stimmungen in Echtzeit erfassen. Die Welt wird plötzlich transparent auch in Ländern, von denen wir bisher nur sehr löchrige Informationen besaßen

 

Die Google-Universität

Zeit Online

Der frühere Google-Forschungschef Sebastian Thrun will mit Onlinekursen die Bildung revolutionieren. Anfangs stockte das Projekt des Deutschen, jetzt nimmt es Fahrt auf.

Sebastian Thrun strahlt von einem Ohr zum anderen, als er mich an der Tür der luftigen Büroetage in Mountain View, Silicon Valley, begrüßt. „Willkommen im Paradies!“ Damit spielt er wohl auf meinen Umzug in die Bay Area an. Er könnte mit dem Paradies aber auch sein eigenes Reich meinen, die Firma Udacity.

Es läuft gut für ihn im Moment, gerade hat Thrun 35 Millionen Dollar an Investorengeldern eingesammelt, unter anderem vom deutschen Medienkonzern Bertelsmann. Dafür, dass er hier die Universität neu erfinden will

Auch Gute können zu viel sein

Zeit Online

Zu teuer, zu schick: Mitarbeiter von Techfirmen wollen nicht im langweiligen Valley wohnen. Stattdessen gentrifizieren sie die quirligen Viertel von San Francisco.

Ich bin in den Castro gezogen, das schwule Szeneviertel in San Francisco. Die Zebrastreifen schillern bunt, überall Männerpärchen Hand in Hand, die öffentliche Bücherei ist nach dem Schwulenaktivisten Harvey Milk benannt und über dem Viertel weht eine riesige Regenbogenfahne.

Am Ende meiner Straße steht ein Stoppschild. Unter das stop haben Unbekannte einen Aufkleber geklebt: the tech takeover. Sinngemäß: Stoppt die Übernahme durch das Silicon Valley. Der Castro und der benachbarte Mission District sind das Haupteinfallstor für die Mitarbeiter der großen Tech-Firmen, die lieber in der Stadt wohnen als im gesichtslosen Valley, oder deren Firma – nach dem Vorbild von Twitter – ihr Hauptquartier gleich in die Stadt verlegt hat.

Gehöre ich zu diesem takeover? Bin ich Opfer oder Täter? Die Miete hier ist doppelt so hoch wie in guter Lage in Hamburg oder München, ich zahle sie nur stöhnend – aber ich zahle sie, die alteingesessenen Bewohner könnten es nicht