Katalin Karikó hat den Nobelpreis für die Anwendung der mRNA-Technik auf Impfstoffe bekommen – sie hat dafür gesorgt, dass wir keine Angst mehr vor Covid-19 haben müssen. Für den Newsletter der Leopoldina habe ich Ende 2022 ein Interview mit ihr geführt.
Ihr Spezialgebiet ist die Messenger-RNA. Was bewirkt dieses Molekül?
Katalin Karikó: Es ist ein Molekül, das in fast jeder Zelle unseres Körpers vorhanden ist. Es überträgt Informationen von der DNA an die Proteinsynthesefabrik der Zelle und sagt ihr, was sie tun soll. Es ist kurzlebig und wird schnell abgebaut – man kann Dinosaurier-DNA finden, aber keine Dinosaurier-mRNA.
Als Sie anfingen, mit mRNA zu experimentieren, hatten Sie Probleme, andere dafür zu begeistern.
Karikó: Im Jahr 1990 startete das Humangenomprojekt, und alle arbeiteten mit DNA. Als ich sagte, dass die meisten Menschen keine permanente Veränderung des Erbguts brauchen, sondern dass man manchmal nur ein paar Moleküle für eine Therapie braucht, sahen das die meisten nicht ein und bedauerten mich.
Wann sind Sie mit dem deutschen Unternehmen BioNTech in Kontakt gekommen?
Karikó: Ich habe den Gründer, Uğur Şahin, im Sommer 2013 kennengelernt, als ich einen Vortrag in Mainz hielt. Und er bot mir den Job der Vizepräsidentin an.
An welchen Anwendungen haben Sie damals bei BioNTech gearbeitet?
Karikó: Wir wollten Krebspatientinnen und -patienten behandeln. Mein erstes Projekt war ein Verfahren zur Injektion von mRNA in Tumore, um Immunzellen anzulocken, die den Tumor dann attackieren sollten. Also keine wirkliche Impfung, sondern eine Methode, die Immunabwehr zu mobilisieren.
Haben Sie gedacht, dass dies in absehbarer Zeit therapeutisch angewendet werden könnte?
Karikó: Jede Wissenschaftlerin möchte, dass ihre Arbeit früher oder später jemandem zugute kommt. Aber ich wusste nicht, ob ich das noch erleben würde.
Das änderte sich, als sich BioNTech mit Pfizer zusammentat, um einen mRNA- Grippeimpfstoff zu entwickeln.
Karikó: Ja, und während wir daran arbeiteten, las Uğur Şahin im Januar 2020 von einem Virus, das Menschen in China infizierte. Er dachte sofort, dass einige infizierte, aber symptomfreie Menschen es über den ganzen Globus verbreiten würden.
Wie viel Arbeit war es, Ihre mRNA-Technik an dieses neue Virus anzupassen?
Karikó: Wenn ich die Geräte hier hätte, könnte ich die mRNA in zehn Minuten herstellen. Das Spike-Protein des Virus war bereits veröffentlicht, also war die Sache einfach. Es ist unglaublich, wie flexibel und schnell die Methode ist.
Der Rest ist Geschichte. Wie sind Sie zu Ihrer Covid-Spritze gekommen?
Karikó: Ich war seit dem Ausbruch der Pandemie in Philadelphia, und die Universität von Pennsylvania organisierte im Dezember 2020 eine öffentliche Veranstaltung, bei der mein Kollege Drew Weissman und ich unsere Impfung vor laufender Kamera erhielten.
Warum haben Sie BioNTech im vergangenen Jahr verlassen?
Karikó: Ursprünglich hatte ich geplant, zwei Jahre zu bleiben, es wurden neun. Jetzt halte ich viele Vorträge und nehme Preise entgegen. Ich habe Reden von berühmten Wissenschaftlern erlebt, die nicht auf dem neuesten Stand der Forschung waren – so möchte ich nicht enden. Lesen ist also einer meiner Hauptjobs.
Halten Sie auch Vorlesungen vor jungen Leuten?
Karikó: Als ich letztes Jahr in Kanada den Gairdner-Preis erhielt, saßen 300 Schülerinnen und Schüler im Publikum. Wir müssen die nächste Generation inspirieren. Wir müssen ihnen sagen, dass es zwar harte Arbeit ist, aber es ist wie Detektivarbeit – wenn man die Lösung des Rätsels findet, ist es sehr aufregend.
Was bedeutet Ihnen die Berufung in die Leopoldina?
Karikó: Ich habe die Geschichte der Akademie nachgelesen, all diese herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – und ich dachte, oh mein Gott, jetzt gehöre ich dazu. Das ist berührend.