Die Zeit
Selbst im Schlaf sind Menschen in der Lage, wichtige Geräusche von unwichtigen zu unterscheiden.
Unsere Spezies verfügt über eine erstaunliche Fähigkeit, für die es in der Wissenschaft einen ebenso erstaunlichen Namen gibt: „Cocktailparty-Effekt“. Menschen können, zum Beispiel auf einer Party, die bedeutenden Geräusche von den unbedeutenden trennen. Etwa wenn sie ein Gespräch verfolgen, das einige Meter entfernt geführt wird, während sie den labernden Langweiler ausblenden, der direkt vor ihnen steht. Wie das funktioniert, hat die Forschung noch nicht ergründet. Klar ist, dass es mit dem beidseitigen Hören zu tun haben muss – mit einem Ohr funktioniert der Effekt nicht.
Wissenschaftler aus Paris berichten nun in der Fachzeitschrift Nature Human Behaviour, dass sogar schlafende Menschen diesen Trick beherrschen.
Das widerspricht zunächst der Vorstellung, unser Hirn sei im Schlaf für akustische Eindrücke nicht erreichbar (außer durch Lärm, der uns aufweckt). Aber schon vor Jahren konnte nachgewiesen werden, dass Menschen im Schlaf auf ihren Namen reagieren oder auf das Geschrei ihres eigenen Babys.
In früheren Versuchen wurden jedoch stets isolierte Signale – wie Name oder Babygeschrei – benutzt. Die Experimente der Franzosen zeigen nun, dass auch im Schlaf Bedeutendes von Unbedeutendem unterschieden wird. Das kann zum Beispiel erklären, warum Menschen, die trotz lauter Umgebungsgeräusche im Zug eingenickt sind, just aufwachen, sobald im Lautsprecher ihr Zielbahnhof genannt wird.
Schlaf ist wichtig: Er ist eine notwendige Ruhepause für unseren Körper. Anlass genug, uns dem Schlaf intensiver zu widmen. Warum schlafen wir überhaupt? Was passiert dabei im Gehirn? Sind Schlafstörungen die neue Volkskrankheit? Was weiß die Forschung über unsere Nachtruhe?
Da all dies unbewusst passiert und Probanden nach dem Aufwachen keine Auskunft darüber geben können, was sie aus dem Schlummer gerissen hat, mussten die Forscher sehr indirekt vorgehen und aus den Hirnwellen der Schläferinnen und Schläfer lesen, was diese wahrgenommen hatten. Zunächst erzeugten sie zwei unterschiedliche Arten von Signalen. Zum einen waren das vereinfachte vorgelesene Texte aus der Wikipedia, aus Zeitungen oder Filmen. Daraus konstruierten sie zweitens Nonsenstexte, indem sie die sinntragenden Wörter durch Fantasiebegriffe ersetzten, die zwar französisch klangen, aber nichts bedeuteten. Per Kopfhörer bekamen die Schläfer auf das eine Ohr sinnvolle Texte, auf das andere den Unsinn.
Weil die Testpersonen das zuvor im wachen Zustand geübt hatten, konnten die Wissenschaftler im Labor ablesen, ob sich die Aufmerksamkeit des schlafenden Hirns den sinnvollen Signalen zuwandte. So war es tatsächlich – mit Einschränkungen: Nur in Phasen leichten Schlafs funktionierte der passive Cocktailparty-Effekt, nicht im Tiefschlaf. Außerdem ließ schon nach einer halben Minute die Konzentration nach. Und einmal aufgewacht, konnte sich kein Proband an das im Schlaf Gehörte erinnern.