Die „Zeit“ hat in ihrer Ausgabe Nr. 25/2023 ein Sammelstück zur „Wissenschaft des Sommers“ publiziert. Mein Beitrag zu der Frage: Gibt es die Sommerhit-DNA?
»Formel für den ultimativen Sommerhit entdeckt!« Das war vor ein paar Jahren in der britischen Daily Mail zu lesen, und die Formel lautete verkürzt so: »Tempo plus Energie mal 1,48 plus Tanzbarkeit mal 1,17.« Das ist natürlich so ernst zu nehmen wie die »Formel für das optimale Käsebrot«, die auch schon einmal (von der Käseindustrie) veröffentlicht wurde.
Das Thema wird aber durchaus wissenschaftlich untersucht, nur sind die Erkenntnisse bislang eher banal: Die Melodie eines Sommerhits sollte noch ein bisschen simpler und repetitiver sein als bei anderen Pop-Hits, der Text noch etwas eingängiger und der Song tanzbarer, also etwa ein Tempo um die 120 Beats pro Minute haben. Denn besonders schnelle Töne fahren direkt in unseren Hirnstamm, den ältesten Teil unseres Gehirns, wo evolutionär fest verdrahtete Schaltkreise arbeiten – und treiben so unseren Herzschlag in die Höhe, ohne das Bewusstsein um Erlaubnis zu fragen.
Für Hits ist es aber leider so: Sie lassen sich nicht berechnen, auch nicht durch KI. Der Sommerhit des Jahres mendelt sich irgendwie in den Strandbars zusammen. Mal kommt dabei ein altes Lied der italienischen Partisanen heraus (Bella Ciao, 2018), mal eine zotige Hymne auf eine Bordellbesitzerin (Layla, 2022), meist jedoch eine Disconummer mit lateinamerikanisch angehauchtem Rhythmus.
Wieso aber sind manche Sommerhits nicht totzukriegen? Das hat damit zu tun, dass unser sogenanntes episodisches Gedächtnis Musik zusammen mit den Ereignissen abspeichert, bei denen wir sie zum ersten Mal gehört haben – das „Schatz, sie spielen unser Lied“-Phänomen. Der Sommerhit ruft so immer wieder die Erinnerung an jene heißen Tage in Ibiza wach – und auch wenn wir älter geworden sind und die Kinder uns auslachen, tanzen wir Sommer für Sommer wieder zu Macarena.